Der geplante Lichtbildschutz Artikel (Art 2 Abs. 3bis) behindert Forschung und IT-Industrie

Am kommenden Montag (21.1.2019) berät die Kommission for Wissenschaft, Bildung und Kultur (WBK) des schweizerischen Ständerates die Revision des Urheberrechtsgesetzes. Nach dem jetzigen Revisionsentwurf sollen in Zukunft auch Fotografien, welche keinen individuellen Charakter haben, wie Werke der Kunst und der Literatur geschützt werden. Wir sind der Meinung, dass durch eine solche Bestimmung der wissenschaftlichen Lehre und Forschung, und letztlich unserer IT Industrie und Gesellschaft, erheblicher Schaden zugefügt wird, und zwar aus den folgenden Gründen:

  • Der grösste Teil der heute entstehenden Fotografien sind digitale Bilder, nicht selten auch von Automaten oder auf eine möglichst standardisierte halbautomatische Weise hergestellt, die für wissenschaftliche Zwecke nützliche Fakten dokumentieren. Sie veranschaulichen Zustände, Veränderungen, Entwicklungen über längere Zeitabschnitte hinweg. Moderne Technologien erlauben es, diese Fotografien maschinell auszuwerten. Anhand dieser wissenschaftlichen Auswertung können wichtige Erkenntnisse in den Naturwissenschaften ebenso wie in der Medizin und den Sozialwissenschaften gewonnen werden, die andersweitig nicht möglich sind.
  • Wissenschaftliche Lehre und Forschung ist darauf angewiesen, dass Daten zugänglich sind. Deshalb fordern Forschungsinstitutionen wie der Schweizerische Nationalfonds oder das Europäische Forschungsprogramm Horizon 2020 den freien Zugang zu wissenschaftlicher Information. Zu dieser Information gehören auch Daten in Form von Bildern. Ein urheberrechtlicher Schutz nicht individueller Fotografien macht einen Grossteil dieses Bildmaterials für die Wissenschaft unzugänglich.
  • Es ist nicht möglich, den Zugang zu diesen Bildern auf dem Wege der Lizenzierung zu erlangen. Angesichts der Menge benötigter Bilder ist der Aufwand für eine Abklärung des Zugangs von Fall zu Fall viel zu gross. Die damit verbundenen Transaktionskosten wären allenfalls für die ganz grossen Datenverarbeiter wie Google oder Amazon verkraftbar, aber für keine einzige mit privaten oder staatlichen Mitteln finanzierte Forschungseinrichtung, für keinen IT-Betrieb und schon gar nicht für die immer wichtiger werdenden Citizen Sciences. Die geplante Vorschrift verhindert daher auch den Aufbau von IT-Startups im Bereich der Bilderkennung oder der Bildverarbeitung.
  • Es ist unbestritten, dass Fotografien mit individuellem Charakter Werke der Literatur und Kunst darstellen und daher urheberrechtlich geschützt werden sollen. Das ist beim geltenden URG denn auch der Fall. Für die Ausweitung dieses Schutzes auf Fotografien, die keinerlei individuellen Charakter haben, gibt es aber keinen stichhaltigen Grund. Fotografien sind ein Kommunikationsmittel wie geschriebene oder gesprochene Texte auch. Wo sie individuellen Charakter haben, werden sie urheberrechtlich geschützt, wo dies nicht der Fall ist, darf es höchstens den Schutz gegen unlauteren Wettbewerb geben. Die vorgeschlagene Sonderregelung für Fotografien ohne individuellen Charakter ist ein massiver, durch nichts zu rechtfertigender Eingriff in die gesellschaftliche und insbesondere die wissenschaftliche Kommunikation.
  • Völlig unverständlich ist schliesslich, dass die neue Regelung auch noch rückwirkend angewandt werden soll. Jede Fotografie in einer historischen oder wissenschaftlichen Sammlung oder Veröffentlichung wäre plötzlich ein geschütztes Rechtsobjekt, das nur noch mit der Einwilligung der – meist unbekannten – Fotografinnen oder Fotografen verwendet werden dürfte. Durch eine solche Regelung verliert die Schweiz den Zugang zu ihrem fotografischen Erbe.

Aus diesem Grunde schlagen wir vor, den vorgeschlagenen Artikel 2 Abs. 3bis wieder aus der URG-Revisionsvorlage zu streichen.

Geschäft 17.069: Urheberrechtsgesetz. Änderung

Nachträge

Medienmitteilung WBK-S, 22. Sept. 2019, 17:00

ÄNDERUNG DES URHEBERRECHTSGESETZES

Der Nationalrat behandelte in der Wintersession 2018 die Vorlage zur Revision des Urheberrechtsgesetzes sowie zur Genehmigung und Umsetzung zweier Abkommen der Weltorganisation für geistiges Eigentum (17.069). Für den Ständerat als Zweitrat hat die WBK nun die Vorberatung begonnen und eine Anhörung mit den folgenden Organisationen durchgeführt: swissuniversities, Schweizerischer Nationalfonds (SNF), Schweizer Buchhändler- und Verleger-Verband (SBVV), Arbeitsgruppe «Lichtbildschutz», Allianz der Konsumentenschutz-Organisationen, Genossenschaft der Urheber und Verleger von Musik (SUISA), Interessengemeinschaft Radio und Fernsehen (IRF) sowie Verband für Kommunikationsnetzwerke (SUISSEDIGITAL). Dabei wurden die Schwerpunkte auf Open Access in der Wissenschaft, den Schutz von Fotografien ohne individuellen Charakter, die Regelung zu Video-on-Demand, das zeitversetzte Fernsehen sowie auf die Vergütung für Hotels, Ferienwohnungen, Spitäler und Gefängnisse gesetzt. In der anschliessenden Eintretensdebatte unterstrich die Kommission die Notwendigkeit einer Modernisierung des Urheberrechtsgesetzes und ist mit 11 zu 0 Stimmen bei einer Enthaltung auf die Vorlage des Bundesrates eingetreten. Die Detailberatung wird an der nächsten Kommissionssitzung vom 12. Februar 2019 stattfinden.

Die Detailberatung in der WBK-S ist am 12. Februar